Einzelbiografien

Nach Geburtsdatum eingefügt

Halter Johann Jgnaz, Landamann, Lungern, genannt Sekurä, Obrist und Venditor

*1532 + 1593 (eine "Art Biografie")

Portrait von Halter Johann Jgnaz (Oel auf Leinwand) in der Uniform eines Obristen (Artilleriemuseum Turin) ca. 1574

Bitter kalt war die Nacht vom 2.12.1532, in Lungern. Der Ostwind zog durch die Kläcken der Aussenwände und transportierte die kristallinen Schneekörper wie Staubmehl in das zügige Haus. Der Schnee lag für die Jahreszeit schon ziemlich hoch. Der Gang zum Stall wurde durch grosse Schneeverwehungen behindert. In dieser Nacht wurde ich, Johann Jgnaz Halter, als zweiter Sohn von Hans Balthasar Halter, Obsee Wichel, Lungern und Evi Halter, geb. Studer geboren. Erinnern kann ich mich natürlich nicht an diese Zeit, dafür aber an den kläglichen Tod meiner Mutter, die im Kindsbett, bei der Geburt meiner zweiten Schwester, von Hunger ausgemergelt und von vielen Krankheiten gezeichnet, im Alter von etwa 32 Jahren starb. Die Klageweiber aus der Nachbarschaft, der Kerzenduft in der Stube und der Geschmack des Weihrauches in der Kirche haften mir seitdem ein Leben lang an. Der Tod des Vaters, im Jahre 1548, beim Holzen im Gebiet Obschwändi, führte in der Familie zu vielen Veränderungen. Mein älterer Bruder, gerade 20 geworden, übernahm den Hof mit sechs Kühen, Haus und Gaden. Wir, die Geschwister, hatten jetzt nicht mehr viele Möglichkeiten eine eigene Existenz aufzubauen. Eine jüngere Schwester war bereits ins Andreaskloster in Engelberg eingetreten, die Apanache war schon bezahlt und die andere Schwester war für eine Heirat mit einem Heini im Feldt arrangiert. Dieses Eheversprechen trug meinem Bruder, jetzt erster in der Familie, doch noch etwa 150 Pfund und 20 Kronen ein. So, da stand noch ich, Johannli, jetzt 16 Jahre alt, hatte nichts in der Hand, ausser dass ich lesen und schreiben und auch etwas rechnen konnte, weil der Pfaffe mir das beigebracht hatte. Ich sei „ä gfitzä Biob“, sagte dieser immer wieder. Man sagte auch, dass ich kräftig sei und zudem „giod z’holz und z’händlä sig“. Meinen Vater, selig, begleitete ich in der Vergangenheit schon zweimal nach Luzern, um den dortigen Zimmerern und Flössern unser Holz zu verkaufen. Als Knecht, bei meinem Bruder, wollte ich nicht bleiben und ins Kloster wollte ich auch nicht, da konnte der Pfaffe weibeln wie er wollte.


Im Frühjahr 1549 ergriff ich das Angebot der Burger, einen Holztransport nach Luzern zu besorgen. Das bei Kaiserstuhl geflösste Holz musste mit Ross und Karren und via „Greistinen“ bis Giswil geschleppt werden. Über den Sarnersee und weiter über Furten, Wasserstrassen und Karren gelangten wir bis nach Luzern. Da Holz anscheinend sehr gefragt war, konnten wir einen schönen Bazen lösen. Unsere Anstrengungen und der Gewinn  wurde unter der Egg bei einem Meet gefeiert. Hier traf ich Balz Luther, der den Weitertransport des Holzes bis Basilensis organisierte. Dieser Balz suchte noch kräftige Burschen zum Flössen. Hier beginnt jetzt meine Geschichte, als Flösser bis Basilensis und mit einem neuen Vertrag weiter bis nach Lugdunum (heute Leiden), vorbei an Städten, die unvorstellbar gross waren und Gebäude besitzen, deren schiere Grösse einen fast erdrückt. Bei all unseren Zwischenhalten nahmen wir zusätzliche Güter auf die Flosse, um diese dann weiter unten wieder zu verkaufen. Leinentücher in verschiedenen Qualitäten und auch ganz feine Stoffe, Fässer mit Wein aus der Mosella-Gegend, gesalzenes Fleisch, Reis und Käse. Je weiter wir Richtung Norden flössten, nahmen die persönlichen Handelsgeschäfte zu und liessen meinen Seckel merklich wachsen. In Lugdunum wurde das Holz aus dem Wasser gezogen, getrocknet und für den Schiffsbau vorbereitet, oder als Pfähle in den sumpfigen Boden gerammt, damit darauf Häuser erstellt werden konnten. Ich habe hier Schiffe gesehen, die auf dem Meer grössere Strecken segelten, als ich von Lungern bis hierher zurückgelegt hatte. Hier in Lugdunum ist ein geschäftiges Leben, überall werden gute Handwerker gesucht. Da ich handwerklich nicht so begabt war und die Sprachen in diesem Land nicht beherrschte, stellte ich mich als Söldner, im Heer des Herzog von Brabant an, der irgendwo in Flandern, etwas weiter südlich, gegen die Walonen kämpfen will, weil diese als abtrünnig und franzosenfreundlich galten. Bei der Vertragsunterzeichnung erhalte ich vorab einen Sold von 4 silberigen Gulden, was etwa einem Viertel des vereinbarten Soldes entsprach. Während des langen Marsches bis Fourmies, hier sprechen Sie französisch, erhalten wir, eine bunt gemischte Truppe aus deutschsprachigen jungen Kampfwilligen, verschiedene Einführungen in die Handhabung von Hieb- und Stichwaffen, sowie den Bewegungen im Verband. Bei kleinen Gefechten hebe ich mich als guter Taktiker hervor und werde deshalb sehr schnell vom beschossenen Knecht zum Rottmeister und weiter zum Locumtenens eines Pikenierschwarms befördert. 1553 werden wir, infolge verschiedener Niederlagen, ausgelöst durch den Einsatz von Schusswaffen, die der Gegner benutzte, an Franz den II., den französischen König „verkauft“. 1554 fungiere ich als Hauptmann eines französischen Hellebarden Truppenverbandes von über 300 Mann, in der Schlacht von Renty, gegen die Spanier, die die Engländer im Rahmen einer Thronfolge unterstützten. Diese Zusammenhänge waren für uns Söldner nicht immer leicht zu verstehen, dafür stimmte aber der Sold, den wir nicht allerdings auch nicht immer freiwillig erhielten. Leider verlor ich in dieser Schlacht über 200 Mann. Auch ich hatte verschiedene kleine Verwundungen in den Extremitäten, die glücklicherweise aber alle verheilten.


Mein taktisches Verständnis und die spontanen Interventionen erregte die Aufmerksamkeit von François de Lorraine, Duc de Guise. Anlässlich eines Feldempfanges wurde ich in seinen Stab aufgenommen. Zwischenzeitlich konnte ich mich auch mit den Franzmännern verständigen. An der Seite des Duc de Guise war ich anschliessend an verschiedensten Schlachten gegen die Spanier und im Frankenland gegen den Herzog von Alba dabei. Zum Glück musste ich nie mehr so grosse Ausfälle von Söldnern zur Kenntnis zu nehmen. Die Ausfälle, infolge englischem Schweiss, oder der ungarischen Krankheit, Diphterie und Magersucht,  waren viel grösser. Die Hugenotten verbreiteten in Frankreich von 1560 bis 1568, auf der Seite der Katholischen, Angst und Schrecken. Auch hier wurden wir verschiedentlich zu Interventionen gerufen. Im Frieden von Cateau-Cambrésis erhielt Emanuel Philibert von Savoyen, vom französischen König, seine Gebiete in Savoyen und Piemont wieder zurück. Genau gegen diesen Feldherrn haben wir in Flandern vor gut 15 Jahren gekämpft. Wir wurden infolge der Friedensverträge mit Empfehlungsschreiben entlassen und an Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen und Piemont weitergereicht. Dieser hatte Expansionspläne Richtung Milano und rüstete eine grosse Armee auf. Ich wurde Obrist des Söldnerregiments Fleury, das sich vor allem im Gebiet des Piemont gegen das Herzogtum Milano behaupten musste. In diesen Gefechten und Schlachten trug ich immer wieder Blessuren ab, die sich in der körperlichen Bewegungsfreiheit manifestierten. Zudem musste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich in den Heeresformationen der Genueser und Mailänder immer wieder Miteidgenossen befanden, die ich nach Möglichkeit und im Rahmen von Gefangenschaften befragen konnte. Einer, im Feldt genannt, kam sogar aus Sarnen. Diesen abgehungerten Kreaturen verhalf ich, dass Sie aus der Gefangenschaft entlassen und nach Hause geschickt wurden. Diese Situation weckte in mir auch das Bedürfnis, wieder nach Hause gehen zu können und das Kriegshandwerk abzulegen. Ich werde jetzt bald 45 Jahre alt, also für die Verhältnisse ein wirklich alter Kriegsveteran. Mein dringliches Bitten um Aufhebung des Soldvertrages wurde nur stattgegeben, wenn ich in der Heimat Söldner anwerben würde. Söldner wurden auch von anderen Herzögen, dem Papst, verschiedenen Grafschaften und von Philipp II, von Spanien, Herzog von Mailand, gesucht. Die Legitimation von Söldneranwerbung erhielt ich mittels des Bestallungsbriefes. So durfte ich im Frühling 1577, mit einer schönen Apanage, mehreren Pferden und zwei Knechten, über viele Umwege, via Simplon, nach Lungern, ins geliebte Heimatland zurückreisen.


Im Spätsommer 1577 sah ich vom Burgchäppeli, erstmals, nach fast 30 Jahren, mein geliebtes Heimatland wieder. Mit Helm und Wams, mit gutem Tuch und Halbharnisch bin ich in Lungern, fast wie ein Fremder, eingezogen. Mit ängstlichem und argwöhnischem Blick begutachtete man mich. Erst mein Willkommensgruss „giod Tag“, entlarvte mich als Lungerer. In der Schankstube zur Pfistern wurde ich dann richtiggehend belagert und mit vielen Fragen überhäuft. Stundenlang wollte man meinen Reiseerzählungen zuhören. Es ging auch nicht schnell, hatte ich bereits einen neuen Namen „Sekurä“ (Kriegswunde an meiner Stirn). Na ja „dio heind sie dio“. Meinen älteren Bruder konnte ich leider nicht mehr sehen. Er sei vor ein paar Jahren an der „Schwindi“ gestorben. Aber sein ältester Sohn habe jetzt den Hof übernommen. In Lungern habe ich anschliessend ein Haus mit festen Grundmauern bauen lassen. Ich wurde schnell ins 15er Gericht Unterwalden gewählt. Gerichtsverfahren von nicht bezahlten Söldnerleistungen nahmen stetig zu. Dies war auch der Grund, dass ich die Schelmenschinderei aufgab. Mit 47 Jahren habe ich noch Katarina Josepha von Erlen *1559, von Sarnen, geheiratet. Sie schenkte mir 1580 eine Tochter, Anna Maria, 1581 einen Sohn Johann (Hans) und 1584 einen weiteren Sohn, Riodi. Durch die verschiedenen Verbindungen und Sprachkenntnisse wurde ich auch Tagsatzer von Unterwalden und konnte verschiedene Verträge abschliessen, die die bessere Erreichbarkeit von Reis und Salz, sowie Tuchwaren ins Land sicherten. Das Volk wählte mich sogar zum Landamann. Dank meinem ersparten Sold und dem Einkommen aus der Söldnerei und dem Handel, konnte ich für meine Nachfahren drei Heimetli (Diesselbach, Ledi und Stüelti) kaufen und so eine Basis für die Zukunft meiner Nachfahren legen, die nicht im Ausland zu Geld und Ehren kommen mussten. Sicher war ich mit meiner Situation ein privilegierter Bürger. Im Nachhinein muss ich gestehen, dass ich immer von viel Glück begleitet worden bin. 1579 gab ich den Auftrag, als Dank und gottesfürchtiger Mann, eine Kapelle in Obsee zu bauen. Im Lenz 1593 erlitt ich eine innere Schwäche und die Knochen, von den Kriegsverletzungen gezeichnet, machten sich jetzt in Unbeweglichkeit bemerkbar. Wohin mich diese Gebresten führen, weiss ich nicht. Da helfen auch Bittgebete und Stifterrodel nichts.


Lungern, Lenz im Jahre des Herrn 1593 



Securä (securis, lateinisch von Wunde)

Venditor (Händler)

Bestallungsbrief (anheuern von Söldnern)

Obrist des Regiments; Offiziere des Stabes wurden mit einem Werbepatent ausgerüstet um Söldner anzuheuern (Schelmenschinder = Anwerber) (aus dem gleichen Gebiet,      Zusammengehörigkeitsgefühl)

Beschossene Knechte = erfahrene Söldner oder Doppelsöldner

Hugenotten (französische Protestanten)

Locumtenens (Platzhalter, oder Deutsch Leutinger oder Leutnant)

Regiment (je nach dem bis 4000 Mann) in verschiedene Fähnlein (Kompanie oder Rotte) unterteilt = a 400 höchstens 500 Mann davon erfahrener Söldner als           Doppelsöldner  genannt (erhielten den doppelten Sold). Der Hauptmann oder Fähndliführer musste schwören sein Fähndli nicht untergehen zu lassen.

Pikeniergruppe (Langspiesse)

Andreaskloster Engelberg (Doppelkloster) wurde erst um 1600 als reines Frauenkloster (Benediktinerinnen) nach Sarnen verlegt

Krankheit Syphilis (ungarische Krankheit) Diphterie, Ruhr (englischer Schweiss), Hunger Tod selbst durch kleine Verletzungen, Meuterer, Fahnenflucht

Söldner = Reisläufer (mittelhochdeutsch für Reisen)


Halter Franz Josef Johann

*18.8.1796 +22.7.1846

Franz Josef Halter, Gemälde in Oel auf Holz (Historisches Museum Obwalden, Sarnen)

Original Uniformrock von Franz Josef. Auf der Rückseite ist der Einschuss der Projektiles sichtbar (Historisches Museum Obwalden, Sarnen)

Unterschrift von Franz Josef Halter

In Obsee geboren und aufgewachsen, besuchte er die Lateinschule Sarnen, anschliessend das Lyceum Luzern.Nach eigener Aussage hielt er es für ehrenvoller, ein guter Soldat zu sein, als ein schlechter Priester. So wurde er Offizier. Bereits 1818 hatte er ein Kommando in Paris. 1830, im Grad eines Kapitänleutnants kämpfte er mit 150 Grenadieren bei der Babylonkaserne gegen die Revolutionäre. Nach achtstündigem Kampf war die Lage aussichtslos. Mit nur noch einem kleinen Trupp schlug er sich bis zur Militärschule in die Sicherheit zurück. Die Revolution aber hatte gesiegt. Die Schweizer Regimenter in Paris wurden aufgelöst. Ein Teil der Überlebenden kamen in die Schweiz zurück, andere meldeten sich bei der Fremdenlegion. Halter blieb in Paris und beschäftigte sich als Journalist. Man sprach ihm ein jährliches Ruhegehalt von ffrs. 600.00 aus. An einer ausserordentlichen Landsgemeinde beschloss man in Obwalden die Stellung einer Kompanie für päpstliche Dienste und berief 1832 Halter, unter Beförderung zum Hauptmann, aus Paris zurück und übertrug ihm die Führung der neu gebildeten Einheit in Forli, Ravenna, Ferrara, Bologna und Rimini. Er wird 1844 zum Major befördert und gleichzeitig in die Ritterschaft des Georgiusordens aufgenommen. Ganz Europa war um diese Zeit von Revolutionswirren erschüttert. Auch in der Schweiz „gärte“ es. Die Regierung von Obwalden berief Halter für 6 Monate zurück. Ihm oblag die Ausbildung von Truppen für den Sonderbundkrieg. Als Oberstleutnant wurde er wenige Wochen später wieder in Italien gebraucht. Halter hatte in Italien viele Widersacher. So passierte es am 19. Juli 1846 bei einer Abnahme einer Parade. Mit drei Schüssen in den Rücken wurde er meuchlings niedergestreckt. Die Beisetzung erfolgte in der Kapuzinergruft in Forli.


Sein Privatleben ist eher wenig bekannt. 1835 heiratete er mit Josepha Röthlin, Kerns. Die Ehe blieb kinderlos.

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Halter Josef Anton, genannt "Thierarzt"

*1811 +1896

Mit Josef Halter beginnt der Zunahme „Feldertonis“.  Er war Mitglied der Seegesellschaft und war Mitwirkender der Seeabsenkung, was auch der Grund war, dass er ein zusätzlich Grundstück er-werben konnte. In alten Schriften liest man die Berufsbezeichnung „Thierarzt“, doch mündlicher Überlieferung nach dürfte er den Hauptverdienst in der Landwirtschaft erwirkt haben. Josef war mit einer Witwe,  Anna Martina Ming, geborene Zumstein, genannt Sigristnazi, verheiratet.


Halter Gallus, genannt "Feldergalli“

*1842 +1932

Feldergalli wohnte mit seiner Familie an der Röhrligasse in Lungern. Er wurde 90 Jahre alt, für diese Zeit ein biblisches Alter. Anscheinend hatte er immer „gute Geschichten“ auf Lager. So soll er seinen Enkelkinder immer wieder Schokolade angeboten haben, die von der eigenen "Schoggimaschine"  produziert worden sei. Diese "Schoggimaschine" konnte aber nie besichtigt werden!


Halter Josef, genannt „Feldschuhmacher“ 

+1844 +1920

Halter Josef, genannt „Feldschuhmacher“  +1844 +1920

Von Beruf war er Schumacher und da er dieses Metier während der Grenzbesetzung der Bourbackiarmee 1870/71 ausübte, galt er landauf und landab als der Feldschuhmacher. Das Haus in Diesselbach, das zeitweise auch als Gasthaus genutzt worden sei, erwarb er. Auch in Bürglen gehörte ihm der Geissweg.


Halter Gottfried

*1879

Ist nach Oregon ausgewandert und hat dort eine „Amerikanerin“ geheiratet. Es sei ihm gut gegangen und betrieb dort eine Käserei. Selber kam er nie mehr in die Heimat zurück. Ein Sohn hat während der Dienstleistung in Deutschland einmal einen Besuch abgestattet.


Halter David

*1884

Ist 1907 oder 1911 nach Amerika ausgewandert. Der Kontakt ging verloren. Einzig das Zivilstan-desamt hat noch die Verheiratung registriert. Sohn Wilhelm war in der Vergangenheit einmal zu Besuch in Lungern. Dieser Wilhelm wohnte dazumal in Rowan (Oregon).



Robert (30.6.1921 - 12.1.1997) und Anna Halter Britschgi (29.10.1923)


"Vom Zuchthaus ins Rathaus" 


Primus Camenzind veröffentlichte im Rahmen einer Oralhistorie im Novemebr 2014 diesen Artikel. Anlässlich verschiedener öffentlicher Lesungen war auch Anna Halter anwesend. Dieser Eintrag erfolgt nur in gekürzter Form.


Anna Halter erblickte in der Bachmatt, St. Niklausen, als eines von 10 Kindern die Welt. Der Vater ernährte die Grossfamilie als Küfer und Landwirt. Anna trug nach der Primar- und der Haushaltschule schon bald im Gastgewerbe, in der Fremde ebenso wie in der engeren Heimat zum Lebensunterhalt der Familie bei. Schon bald baut sie ihre Brücke zum späteren Ehemann Robi, der in der Nähe als gelernter Käser tätig war. Während der Sommerzeit verschlug es Robi auf Kernser Boden in die Alpen. Während des zweiten Weltkieges konnten die beiden sehr wenig Zeit verbringen. Robi musste seine Aktivdiensttage absolvieren. 


Während der Kriegszeit arbeitete Anna in der Huetlifabrik in Sarnen.


                                         Nach dem zweiten Weltkrieg heirateten Anna und Robert. Robert musste infolge familiärem Todesfall in                                                       Bürglen in die Landwirtschaft einsteigen. Dass die Landwirtschaft die sie antreten mussten nicht ausreichte,                                               den Lebensunterhalt zu bestreiten, zeichnete sich eine Wende ab.


                                         Im Zuchthaus Sarnen wurde ein Hauselternpaar gesucht. Robi meldete sich für diese Stelle auf Drängen von                                             Anna. Es verging etliche Zeit, bis sich der Wirt vom Kaiserstuhl bei ihm meldete (sie hatten natürlich kein                                                     Telefon), er müsste sich am nächsten Sonntag zu einem Vorstellungsgespräch einfinden. Von den drei                                                       Kandidaten wurde das Ehepaar Halter ausgewählt. Robi hatte viele Bedenken, die 20 Insassen, mit                                                             verschiedenen Charakteren zu beaufsichtigen. Sie wurden auch gewarnt und instruiert, wie mit den Sträfligen                                             umzugehen sei.


Anna meinte "Pack diese Chance, wir fangen gemeinsam unten an".


Am 1.4.1946 wurde nach Sarnen ins Gefängnis gezügelt. Als wir mit unserem Bagage beim Gefängnis vorfuhren, kam uns ein Sträfling entgegen. Dieser übergab den Schlüsselbung fürs Gefängnis und erklärte, dass der Vorgänger bereits am Morgen das Feld geräumt habe und er beauftragt wurde, die Schlüsselübergabe vorzunehmen und das Pflichtenheft zu erläutern. Die Insassen kommen um 17.30 Uhr von der Arbeit vom Sarner Sandbett zurück. Bis dann muss das Nachtessen bereit sein. Anna erinnert sich noch heute an dieses Einstiegsnachtessen (Gschwelti und Käse).


                                                                     Das Obwaldner Chefi war dazumal ein soweit ganz normales Chefi ohne Mauern. Dass ab                                                                           und zu einer Ausgebrochen ist war normal. Jedoch wurden die meisten irgendwo wieder                                                                               festgenommen und zurückgebracht. Anna und Robert führten einen geordneten Tagesablauf                                                                       ein. Die Einsassen, die keine Arbeit im Sarner Delta (Melchaeinlauf in Sarnersee), wurden                                                                           für Hausarbeiten eingeteilt oder konnten einer Tätigkeit wie z.B. Korben, Schreiner, Gärtner                                                                         oder Kleintiere eingesetzt werden. Einige Gefangene hatten. Untersuchungshäftlinge und                                                                             Verwahrte mussten den ganzen Tag in der Zelle verbringen. Robi und Anna führten das                                                                               Gefängnis mit klaren Vorgaben, mit der nötigen Härte und doch viel Menschlichkeit.


Im Jahr 1942 wurde das Strafgesetz geändert. Dabei wurden verschiedene Arten von Gefängnisstrafen neu definiert. Die Bezeichnung Zuchthaus verschwand, was übrig blieb war Gefängnis, Verwahrung und Untersuchungshaft. Was diese Änderung beinhaltete konnte im Rathaus auch nicht in Erfahrung gebracht werden. Für die Umsetzung müsst ihr halt selber schauen war die entsprechende Instruktion.


Wir hatten während dieser Zeit Tagediebe, Gauner, Herumstreicher, Arbeitsscheue und Bettler. In der "Spitzenzeit" verbrachten bis zu 31 Inhaftierte ihre Zeit im obwaldner Gefängnis. Robi und Anna erzählten immer wieder Geschichten, die sie mit den Insassen erlebt haben. Skurrile, bedenkliche, theatralische, traurige bis zu, soweit möglich, kameradschaftlichen Situationen. Während ihrer Zeit sei aus dem Gefängnis nie einer ausgerissen. Jedoch war dies während des Arbeitseinsatzes im Sandbett der Fall. Alle wurden aber nach einer gewissen Zeit wieder "geschnappt". Die Weihnachtszeit war immer eine schwierige Zeit, erläutert Anna. Mit Gaben aus der Bevölkerung sowie Spenden wurden den Insassen ermöglicht Kleinigkeiten zu erwerben. 


In der Küche wurde an hoheitlichen Tagen ein Polizist als Unterstützung abkommandiert. Man stelle sich dies einmal in der heutigen Zeit vor!


Am Tisch in der grossen Gefängnisküche sassen regelmässig auch "Wanderburschen" aus der ganzen Schweiz. Diese Mannen seien praktisch das ganze Jahr auf der Walz gewesen. Die Wanderburschentrugen ein Büchlein mit sich. Darin stand geschrieben, wo in welcher Region sie zu Essen bekamen und übernachten konnten. "Diä schlaue Cheibe", fährt Anna Halter weiter fort kamen mit Vorliebe am Samstag. Sie wussten nämlich, dass wie sie am Samstag nicht wegschicken durften. Also waren sie für zwei Tage versorgt.


Auch für die körperliche Hygiene war ausreichend gesorgt. Obwohl in der Küche ein riesiger Bottich stand, reichte dieser niemals aus, damit die 15 bis 20 Insassen mindestens einmal in der Woche duschen oder baden konnten. Darum wurde in der grossen Waschküche der grosse Sudhafen in Betrieb genommen. Von dort floss das warme Badewasser durch eine Leitung in die Wanne. Nach jedem Benutzer wurde die Wanne gereinigt und mit neuem Wasser gefüllt. Am Samstag Abend wurde zudem die schmutzige Wäsche gesammelt, gewaschen und wieder verteilt. Anna Halter beantragte beim Kanton zudem Wolle. Eine Frau aus Kerns strickte damit Socken für die Gefangenen. Diese verlangte dazumal pro 40 Stück einen Franken.


Rückblickend auf alles stellt sie fest, dass dazumal ein Hauselternpaar als Aufsicht für die Tätigkeiten im Zuchthaus gesucht wurde. Aber nur Robert Halter erhielt dazumal den Lohn und war Vertragsnehmer. Anna Halter fungierte höchstens als rechte Hand.


Anna Halter hält fest, dass sie viele Schicksale hautnah mitverfolgt oder gar miterlebt haben. Wir beiden haben immer das Gute in den Menschen gesucht und mit unseren Möglichkeiten versucht, den Häftlingen wieder auf den rechten Weg zu finden.


Das Bundesstrafgesetz von 1942 brachte es mit sich, dass das Zuchthaus Sarnen ab 1956 nur noch als Untersuchungsgefängnis betrieben wurde. Diese Entwicklung hatte hatte zur Folge, dass die Tage als Zuchthausverwalter zu ende gingen. Der dazumalige Regierungsrat Hans Ming drückte es so aus: "Allmählich geht hier eure Arbeit dem Ende zu. Für euch hätte ich eventuell etwas Neues im Blickfeld".


Entlassung des letzten Gefängnisinsassen im 1956